Odyssee um ein schwer verletztes Rehkitz – uns erreicht Ein Brief, der auch unser Ressort berührt. Rehe sind ja faktisch ziemlich artgerecht gehaltene Nutztiere. Das Schreiben lautet: An einem Samstagnachmittag Anfang Juni ereignete sich im Gemeindegebiet Hart bei Graz in unmittelbarer Grenznähe zur Gemeinde Kainbach ein tragisches Unglück. Ein Mähdrescher verletzte ein in der Wiese liegendes Rehkitz schwer an den Hinterbeinen. Das Muttertier konnte flüchten, das Rehkind blieb schreiend zurück. Eine Anrainerin wurde auf das Geschehen aufmerksam, das bei vorheriger Nachsicht der ohnedies nicht besonders großen Sommerwiese wohl vermeidbar gewesen wäre.
Sie setzte einen Polizeinotruf ab, wobei ihr der dortige Beamte versicherte, die zuständige Jagdaufsicht von Hart bei Graz zu verständigen und sich danach rückmelden wird.
Besagte Anrainerin bat mich als Nachbarin um weiteren Rat, da der versprochene Rückruf der Polizei auf sich warten ließ und natürlich jede weitere Minute unendlich lang erschien. Zunächst wurde das verletzte Rehkitz, das nun bei extrem hohen Temperaturen in der prallen Sonne lag, auf einem Grasbett in den Schatten verfrachtet. Bei einem neuerlichen Anruf bei der Polizei wurde mitgeteilt, dass sie noch keinen zuständigen Jäger erreichen konnten, aber weiter bemüht sind.
Da es mir dringend erschien, dass dieses schwer verletzte Lebewesen möglichst schnell von seinen Leiden erlöst wird, rief ich einen mir bekannten Jagdscheinbesitzer an der im Gemeindegebiet von Kainbach leb und durch die geringe Wohndistanz sehr rasch hätte zur Stelle sein können. Dieser winkte jedoch ab, und erklärte mir, dass er nicht einfach einem Tier in einem fremden Revier den Gnadenschuss geben kann und unbedingt die zuständige Jägerschaft hier einschreiten muss. Meine Nachbarin probierte es beim Verein „kleine Wildtiere in großer Not“ und bekam ebenfalls die Auskunft, dass sie ohne Wissen der zuständigen Jägerschaft nichts für das Tier tun können.
Noch immer kein Rückruf der Polizei, dass ein zuständiger Jäger gefunden wurde. Ich versuchte den Tierärztenotdienst zu erreichen. Leider hatte eine Ordination am anderen Ende der Stadt Bereitschaft. Eine weite Autofahrt mit dem verletzten Wildtier schien mir auch bedenklich. So rief ich eine mir bekannte Tierärztin an, die auch Hausbesuche macht, und bat, ob sie rasch kommen könne, um das Tier einzuschläfern. Sie zeigte sich verständnisvoll, dass rasch gehandelt werden muss, verwies zunächst aber auch auf die Zuständigkeit der Jägerschaft. Als ich ihr erklärte, dass bis jetzt kein befugter Jäger erreichbar war, bot sie an, das Tier einzuschläfern wenn sie vom diensthabenden Amtstierarzt die Genehmigung bekommt……
Als ich beschäftigt war, diesen ausfindig zu machen, kam von der Polizei endlich der erlösende Rückruf, dass nun ein Jäger auf den Weg zu uns sei. Inzwischen war eine Stunde vergangen.
Kann es wirklich sein, dass das Jagdgesetz für derartige Notfälle keine Ausnahmen vorsieht und schwer verletzten Tieren nicht geholfen werden darf, selbst wenn der zuständige Jäger nicht erreichbar ist?
Wenn das tatsächlich so ist, sollte sofort mit der Reparatur des Jagdgesetzes begonnen werden. Es kann doch nur in Jedermanns Interesse sein, dass unnötige Tierqual verhindert wird.
Michaela Schaller
12.7.2021