Am 1. Juni war Welt Milch Tag. Wie steht es aus Tierschutzsicht um die Milch? Quantitativ ist der Anteil der Milchkühe und ihrer Kinder an den Tierschlachtungen insgesamt in Österreich sehr gering. Von den jährlich rund 90 bis 100 Millionen Schlachtungen warmblütiger Lebewesen (einschließlich Legehennen-Küken) entfallen nur rund 500.000 bis 600.000 auf Kühe und ihre Kälber, also nur etwas mehr als 1/2 %. Auch was fragwürdige bis quälerische Haltung betrifft geht es den Kühen „im Allgemeinen“ besser als Schweinen und Mastgeflügel. Das besagt nicht, dass nicht noch viel zu tun wäre.
Ein Vorteil in Österreich: Zweinutzungsrinder (Milch und Fleisch) überwiegen, Extreme quälerische Hochzucht auf eine Sparte ist da nicht möglich. Der Nachteil: Konsumenten können nicht wählen, in den Molkereien wird alles durcheinander gemischt. Der Ausweg: Bio-Milch. Hochgezüchtete reine Milchrassen und auch Anbindung im Stall sind da zwar nicht ausgeschlossen, doch regelmäßiger Auslauf auf eine Weide sind meist und u.a. bei den Marken „ Zurück zum Ursprung“ (Hofer) und „grüne Kuh“ (Billa) sicher garantiert.
Ein großes Problem bleibt jedoch ungelöst, die Behandlung der Kälber. Sie werden regelmäßig einige Tage nach der Geburt ihren Müttern weggenommen – Leid für Mutter und Kind – und getrennt mit Milchaustauschern aufgezogen oder – traurig – oft qualvoll ins Ausland zur Schnellmast exportiert. Häufig werden sie dann als Kalbfleisch reimportiert.
Es ginge auch anders: „Muttergebundene Kälberaufzucht“ heißt das im Fachjargon. Kälbchen und Menschen teilen sich die Milch; es gibt da verschiedene in der Praxis bereits bewährte Systeme. Ein paar Dutzend Bauern arbeiten bereits danach und vermarkten die Milch meist am Hof. Natürlich muss die so gewonnene Milch etwas teurer sein.
Es gibt sicher viele Menschen, die ein Herz für die kleinen Kälbchen und ihre Mütter haben, ihnen Leid ersparen wollen und bereit sind, dafür ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen. Sie können es nur nicht, weil es diese bessere Milch im Lebensmittelhandel nicht gibt. Warum nicht? Ein Blick aufs Freilandei: Das gibt es seit langen in den Supermärkten, wenn auch in unterschiedlicher Qualität. Das war nicht immer so. Vor 40 Jahren mußte man vergeblich in den Regalen suchen, es gab Batterie-Eier und sonst nichts. Manche Konsumenten murrten, doch weder Handel noch Landwirtschaftsinstitutionen zeigten das geringste Interesse.
Es waren engagierte Tierschützerinnen und Tierschützer die das Eis brechen und mit viel Engagement und Mühe Bauern bewogen, sich der Hennen-Freilandhaltung zu widmen und Handelsketten dazu bringen konnten das teurere Ei in ihr Sortiment aufzunehmen. Und vor allem: sie konnten den Obmann eines großen Tierschutzvereins überzeugen, dass nicht nur Hunde und Katzen, Löwen, Bären und Wölfe schützenswert sind, sondern auch Legehennen. Die werbemäßige Unterstützung durch einen so großen Verein war wichtiger Teil der Aktion.
Werden sich heute, 30-40 Jahre später wieder engagierte Tierschützerinnen und Tierschützer und ein großer Tierschutzverein finden, um Kühen und ihren Kälbern zu helfen?
„Ein kleiner Nachsatz: Die Aktivisten der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatten sich selbstverständlich gefragt: wäre es nicht sinnvoller, gleich für vegane Lebensweise zu werben. Sie entschieden sich fürs Freilandei, weil ein oder zwei Promille mehr Veganer oder strenge Vegetarier, wie man damals sagte, den Hühnern kaum etwas gebracht hätte.
Heute ist es nicht viel anders. Natürlich würde Milchverzicht die Probleme lösen. Allerdings ist Vegan immer noch ein Nischenthema. Seit rund zehn Jahren ist es laut im Gespräch, es gibt massenweise Veganes zu kaufen, doch die Zahl der Veganer weiterhin dümpelt bei ein bis zwei Prozrnt. Das hilft den Kühen auf absehbare Zeit wenig.
Erwin Lauppert, 7. Juni 2021