Ein bahnbrechendes Urteil des Bezirksgerichtes Graz – Ost: „Namhafte Europarechtsexperten kamen zum Schluss, dass ein Totalverbot von Glyphosat nicht möglich ist. Sohin ist die Bezeichnung „Gift“ für Glyphosat jedenfalls unzulässig! Die Landwirtschaft braucht Glyphosat, also ist es kein Gift. Es sind ja keine Mediziner oder Chemiker die das gesagt haben sondern Rechtsexperten. Denen muss man glauben. Doch der Reihe nach.
Da gibt es die IST, die Initiative SteirerInnen gegen Tierfabriken. Sie hilft u.a. Betroffenen in behördlichen Verfahren betreffend Massenställen und arbeitet auch propagandistisch gegen Tierfabriken. So hatte sie vor zwei Jahren in zwei kleinen Städten, Gleisdorf und Leibnitz, in der an Mais und Schweine- Konzentration reichen südlichen Steiermark ein paar großflächige Plakate geklebt. Die zeigten ein Feld einen Traktor und einen Mann in Gasmaske und dazu den Text:
„Gott schütze uns vor giftspritzenden Bauern! Keine Keime und Antibiotika auf den Tellern unserer Familien! Schluss mit der Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt durch die giftunterstützte Landwirtschaft!“
Diese Plakate führten zu Empörung in einigen Bauernkreisen. Die Landwirtschaftskammer erwog laut Medien gerichtliche Schritte, überlegte es sich dann aber, vielleicht kamen ihr ihre Biobauern in den Sinn. Anders der steirische Bauernbund, eine Teilorganisation der Österreichischen Volkspartei. Der erhob gegen den Verantwortlichen der Aktion. den Umweltaktivisten Franz Sölkner Zivilklage auf Unterlassung und Widerruf.
Dass in der Landwirtschaft mitunter so menschenschädliche Mittel verwendet werden, dass Maskenschutz erforderlich ist, ist längst bekannt. Pestizideinsatz ist kein Geheimnis, auch nicht dass Möhren und Erdäpfel häufig vor der Ernte mittels chemieschen Mitteln‘ entkrautet ‘ werden. Auch weiß man, dass Äpfel zu den vielmals gespritzten Lebensmitteln gehören. Auch der Antibiotika – Einsatz in Massenstellen ist bekannt, ebenso dass Antibiotikaresistenz in der Massentierhaltung zu einem Problem werden kann. Erinnern Sie sich noch an die Chlorhendln im Streit um das Handelsabkommen zwischen EU und USA? Besondere Vorsicht beim zerlegen unserer heimischen Brathähnchen predigen Hygieniker, das Messer vor weiterem Gebrauch ja gründlich reinigen. Damit es nicht zu Übertragung von Keimen kommt.
Ältere erinnern sich vielleicht noch an DDT. Gleich nach dem zweiten Weltkrieg. Welch Begeisterung, endlich ein Wundermittel gegen schädliche Insekten und damit gegen die von ihnen übertragenen Krankheiten. 1962 erschien dann ´Silent Spring‘, deutsch ‘Der stumme Frühling‘ der amerikanischen Biologin Rachel Carlson. Ein Bericht über die Schattenseiten der Verwendung von DDT und anderen Chemikalien in der Natur. Das Werk gilt als Anstoß für die weltweite Umweltbewegung. Das Mittel ist schon längst nicht mehr erlaubt. Auch manch anderes einst gepriesenes Pestizid endete auf der Verbotsliste.
So ein Gerichtsprozess wäre eine wunderschöne Gelegenheit, das Thema aufzuarbeiten. Ist all das war, was da gesagt wurde? Wie viele gefährliche Stoffe werden wirklich in der Landwirtschaft verwendet, wo und in welchem Ausmaß? Was und wie viel bleibt in den Lebensmitteln was sind die Grenzwerte?
Leider, Fehlanzeige. Vorweg, die Einzelrichterin gab der Klage des Bauernbundes voll inhaltlich recht. Aus dem Urteilsspruch: „Die beklagte Partei ist … schuldig, es … zu unterlassen
• Werbeplakate aufzustellen, welche den Bauernstand als Giftspritzer oder dem ähnlichen bezeichnen, sowie
• zu unterstellen, dass der Bauernstand Produkte mit gesundheitsschädigenden Keimen erzeugt und vertreibt und
• der Landwirtschaft zu unterstellen, sie fördere den Einsatz von Gift“. Stand das wirklich alles auf dem Plakat? Weiters verpflichtete das Gericht den Beklagten zu Widerruf, berichtigende Plakate in Gleisdorf und Leibnitz und – ein besonders schwerer finanzieller Schlag – zur Veröffentlichung des Urteilsspruchs in der Kleinen Zeitung, weil diese über den Prozess berichtet hatte. Eine Drittel Zeitungsseite, das kostet. Eine Mahnung an Umweltaktivisten, gegen die Großen nicht auf zu mucken und brav still zu halten?
Welche Sachverständigen das Gericht hörte, welche Beweise es aufnahm, blieb der Öffentlichkeit leider verborgen. Laut Kleine Zeitung fand die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Wortlaut der Urteilsbegründung liegt uns nicht vor. Wir können uns nur auf einen verständlicherweise frohllockenden Bericht in der Zeitung des Bauernbundes und eine herbe, sehr herbe Kritik des Urteils durch DDr. Balluch, den Obmann des vereins gegen Tierfabriken, stützen.
Niemand wirft Bauern vor, sie würden Giftspritzen um Konsumenten zu schädigen oder absichtlich keine auf deren Tellern platzieren. Die heimische Landwirtschaft folgt einfach dem weltweiten Druck, Lebensmittel in möglichst großen Mengen und möglichst billig zu produzieren. Wie es der Bauernbund in seinem Prozessbericht auch zugibt, in dem er aus der Urteilsbegründung zitiert:
‘Vielmehr sei gerade aus dem Gesichtspunkt der Bekämpfung von Keimen und anderen Krankheitserregern die Bauernschaft dazu gezwungen, Pflanzenschutzmittel und Medizin (ohne deren Hilfe ein großer Bestand von Nutzvieh verenden würde) in geregelten Maßen einzusetzen“.
Wer das Gasmasken – Plakat sieht, kommt sicher nicht auf die Idee, die Landwirte würden ihre Äpfel so präparieren, wie es die böse Stiefmutter tat. Wir wissen alle, unsere Bauern möchten Schneewittchen nicht umbringen und das kaufende Publikum auch nicht. Was uns Konsumenten stört, ist das große Schweigen der Agrarindustrie über den Einsatz chemischer Mittel – mag man die nun Gift oder ‘kaum bekömmlich‘ nennen.
„Würde man uns Käuferinnen und Käufern sagen, dieser Apfel hat deshalb so eine so glatte makellose Schale, weil er von der Blüte an beispielsweise 18mal gespritzt wurde, dann könnten wir uns überlegen, vielleicht doch lieber den anderen mit dem weniger ansprechenden Teint zu nehmen.
Glyphosat ist heftig umstritten. Ernst zu nehmende Mediziner, vor allem aus den Soja-Anbaugebieten in Südamerika haben schwere Vorwürfe erhoben. Der Kampf um das Verbot muckt hin und her. Wenn das Gericht sagt, die Landwirtschaft braucht Glyphosat und all die andere Chemie, darum darf man sie nicht Gift nennen, so scheint das wohl etwas einfach gedacht. Warten wir ab, bis die zweite Gerichtsinstanz entschieden hat.
Übrigens, brauchen wir überhaupt so viel Chemie? Gibt es nicht Bio?
Erwin Lauppert
Hier noch die Links zur Bauernbund. Zeitschrift https://www.stbb.at/klage-des-bauernbundes-war-erfolgreich/
und zu DDr. Baluch Skandal-Urteil: NGO soll die Bitte „Gott schütze uns …“ widerrufen!