Milchkühe und ihre Kälber – Stiefkinder im Tierschutz.Wenistens ein Teil unserer Milchsklavinnen hättee ein besseres Leben, nähme sich ein großer Tierschutzverein ihrer an. Nicht wenige KonsumemtInnrn haben ein Herz für Kälbchen. Sie wollen nicht schuld sein, dass Mutter und Kuhbabv auseinander gerisssen werden. Doch leider, Milch aus muttergebundener Kälberaufzucht gibt es nicht in den Lebensmittelmärkten. Es bräuchte nicht viel, um so ein Milchprojekt zu starten. Engagement, viel Werbung in den Vereinsaussendungen und ein bisschen Geld für den Anfang, für einen großen Verein an sich kein Problem. Wird sich einer finden? Wollen wir Wesen, die uns dienen müssen, als Sklaven quälen oder sie anständig behandeln?
Hier ein Beitrag zum Themenkreis, erschienen vor acht Jahren in der Zeitschrift anima:
: Die Österreicher haben ein Herz für Tiere, für manche wenigstens. Zahllose Tierschutzvereine beweisen es. Da gibt es große und kleine, reiche (wenige), arme, sehr arme (viele). Wie in jeder großen Herde gibt es vielleicht auch das eine oder andere schwarze Schaf, groß oder klein, das mehr an seine Vorstandsmitglieder denkt als an Tiere. Es empfiehlt sich zu prüfen, ehe man spendet. Die meisten aber engagieren sich intensiv, in steter fleißiger mühevoller Kleinarbeit, viele ohne Aufsehen, einige lieben das Aufsehen und sonnen sich im Glanz eigener oder fremder Verdienste. Die ganze Palette menschlicher Charaktere findet sich auch im Tierschutz.
Die Arbeitsschwerpunkte spiegeln das weite Feld der Tierschutzprobleme wieder. Groß ist die Zahl derer, die sich um einzelne Tiere in Not kümmern, ob in Tierheimen oder privat; ein arbeits-und kostenintensives Geschäft, Tag für Tag ohne Pause, daher meist in Geldnot. Da haben es die Gruppen, die ohne den Ballast eines Asyls sich der Bewusstseinsbildung widmeno der Kampagnen führen, leichter. Sie können die Aktivitäten ihren finanziellen und personellen Möglichkeiten anpassen. Die Vielfalt der Tierwelt und ihre Nöte zeigen die mannigfachen Vereinsziele. Fast jede Tierart findet ihren speziellen Protektor, ob Kaninchen, ob Papageien, ob Pferde und natürlich die liebsten Gefährten, Hunde und Katzen. Die weite Welt ist zu Gast, Resolutionen und Petitionen zeigen Missstände im Ausland auf und bedrängen dortige Entscheidungsträger, Aktivisten versuchen an Ort und Stelle Leid zu lindern; von Grönland bis Mauretanien, von Kanada nach Südafrika; fast um den Erdball führen die Aktivitäten. Internationale Solidarität ist wichtig, Unterstützung der wenigen aktiven Tierfreunde in gegenüber Tieren gleichgültigen Ländern. Manchmal scheint es allerdings, die Liebe zum Fernsten übertreffe die Liebe zum Nächsten, der Tod von Robbenkindern in Kanada berühre mehr als der von Rehkitzen in Österreich. 70.000 werden hier jedes Jahr zur Wildtandsregulierung geschossen, lauter herzige kleine Bambis. Bittet mich vor Jahren eine Dame auf einer Aktivistenkonferenz um eine Unterschrift gegen den Stierkampf. „Gern, gnädige Frau, doch unter uns gesagt, hätte ich die Wahl, wäre ich lieber ein spanischer Kampfstier als ein österreichischer Maststier.“ Darauf die Dame treuherzig: „Ach geht es denen so schlecht?“ Hoffen wir, es hat sich zwischenzeitlich herumgesprochen, dass in unserer Viehhaltung manches zum Himmel stinkt.
Wie gesagt, Tierfreunde kämpfen – jeder dort wo es ihm Herzensanliegen ist – zersplittert an den verschiedensten Fronten, meist gegen übermächtige Gegner, häufig hoffungslos unterlegen und so ziemlich erfolglos.
Nun gib es Stimmen, die sagen, erfolgversprechender wäre es, die Kräfte zu bündeln und auf wenige doch erreichbare Ziele zu richten. Das mag sein. Doch cine Vielfalt sachlicher Interessen und menschlicher Charaktere unter einen Hut zu bringen, ist ein gar schwieriges Unterfangen. Der Ethiker Peter Singer erzählt davon aus Amerika in „Henry Spira und die Tierrechtsbewegung“ (Harald Fischer Verlag 2001; englisch „Ethics into action“ 1998). Manchmal kann es gelingen. Beispiele aus unserem Land: vor einem Vierteljahrhundert das Tierversuchsgesetz, dann 1996 das Tierschutz-Volksbegehren, das 2004 ins Bundes-Tierschutzgesetz mündete, und kürzlich das leider nur mäßig erfolgreiche Bemühen um Abschaffung der Schweine-Kastenstände.
Tierschutzvereine brauchen, um helfen zu können, natürlich Geld. Der Spendenmarkt ist hart umkämpft, große Vereine können sich professioneller psychologischer Hilfe bedienen: Wie rühre ich die Menschen, wie bringe ich sie zum Spenden. Namenloses Massenelend ist dazu ein weniger geeignetes Mittel. Man kann – sagt der frühere Zürcher Tieranwalt Antoine F. Goetschel in seinem jüngst erschienenen Buch „Tiere klagen an“ (siehe Seite 17) in etwas anderem Zusammenhang – offenbar seinen Hund lieben und auch die tägliche Portion Fleisch auf dem Teller. Wahrscheinlich deshalb, weil sich die Liebe nur auf bekannte nahe stehende Wesen richtet, nicht auf anonyme ‚verarbeitete’ Individuen.“ Dem gequälten Tanzbären namens Brummi, der miserabel gehaltenen Löwin Lio ein gutes Zuhause zu schaffen, solchen Projekten öffnen sich Herz und Geldbörse eher als für Vorhaben anonymen Massentieren das Leben zu erleichtern. Erinnern Sie sich an Yvonne, die Kuh die entflohene? Wochenlang bangten die Tierfreunde. Von ihren 500.000 Artgenossinnen, fast alle ohne Weide oder ein Dreivierteljahr angekettet, redete kaum wer.
Wir haben Tierschutzvereine für fast alles, nur bei den Kühen hapert’s. Die Vegetarier der veganen Richtung wollen die Radikallösung, Verzicht auf Milch, ein lobenswertes Ziel; leider hilft es den Kühen wenig, weil nur ein paar Promille oder, hoffen wir es, ein paar Prozent der Menschen auf Milch verzichten wollen. Wohl gibt es gelegentlich Protestdemonstrationen, nur machen die auf die Maßgeblichen wenig Eindruck, die wollen und müssen auf ihre 35.000 Milchbauern achten. Generelle Haltungsverbesserungen sind derzeit nicht durchsetzbar.
Wer ist schuld? Die Profitgier der Bauern, der Handelsketten? Das wäre ein zu billiges Argument. Wenn Profitgier, dann der Drang der Mehrheit der Konsumenten zum niedrigsten Preis. Ein Liter Milch kostet z.B. bei Hofer 89 c. Da ist eine bessere Haltung einfachnicht drin. Die ZurückzumUrsprung-Milch kostet 1,05, damit lässt sich ein bisschen verbessern aber nicht viel.
Ich bin überzeugt, es gibt nicht wenige Tierfreunde, die bereit sind für den Liter Milch 1,50 oder 1,90 € zuzahlen, wenn das den Tieren ein anständigeres Leben brächte. Sie können es nur nicht, weil es die Milch nicht gibt.
Ähnlich war es vor 25 Jahren. Als wir uns damals bemühten, das Freilandei in die Kettenläden zu bringen, sagten uns alle Schiffbruch voraus. Ein Ei, fast doppelt so teuer wie das Käfigei,,das kauft doch keiner. Es wurde gekauft.
Es bräuchte nicht viel, um so ein Milchprojekt zu starten. Engagement, viel Werbung in den Vereinsaussendungen und ein bisschen Geld für den Anfang, für einen großen Verein an sich kein Problem. Wird sich einer finden?
Wollen wir Wesen, die uns dienen müssen, als Sklaven quälen oder sie anständig behandeln?
Erwin Lauppert
Abdruck aus anima Nr.1/2012