… und dann mit dir im Wald allein: der Herrgott drückt ein Auge zu ….“, auch der Wolf? Als die Comedian Harmonists den Song (siehe YouTube) vor bald neunzig Jahren populär machten, gab es ihn bei uns noch nicht. Die Wolfssichtung am Wiener Bisamberg und die durch die Medien gegangene Videodokumentation eines Rehrisses nächst einer Skipistee haben den Beutegreifer wieder einmal ins Gespräch gebracht . Zuzuschauen wie ein Wolfsartiger, nachdem er die Beute gegriffen hat, das Reh, während es noch lebt und immer wieder zu fliehen versucht, aufzuessen beginnt, ist nicht jedermanns Sache.
Der eine oder andere Tierschutzverein hat sich zum Wolfsanwalt gemausert und kämpft offensiv für den Graupelz. Vor allem, der Wolf sei für den Menschen keine Gefahr. So hätten Wölfe eine zu Versuchszwecken am Boden liegende Biologin nur beschnuppert. Also Liebespaare, schmust ruhig im weichen Waldesmoos. Sollte euch ein hungriges Rudel plötzlich umringen, keine Panik, sie schnuppern nur. Dass die Behörden in Alaska dringend empfehlen, Kinder in Wolfsgebieten nicht allein an Bus-Haltestellen warten zu lassen, braucht euch nicht zu bekümmern; wo ist schon Alaska. Die realitätsfernen Amerikaner glauben wohl noch ans Märchen vom Rotkäppchen.
Viel selektives Zahlenmaterial soll beweisen, wie selten Wolfsangriffe in Europa waren und sind. Kein Kunststück, wenn der Geselle in weiten Teilen Jahrhunderte lang praktisch ausgerottet war und wo nicht, gnadenlos verfolgt wurde. Vier tödliche Wolfsangrife seit 1950 geben die Verteidiger zu, relativieren aber: Jährlich stürben allein in Deutschland 500 Menschen an Fischgräten. Vielleicht sind Begegnungen mit gesottenen Fischen vielmillionenfach häufiger.
Doch nehmen wir einmal an, der Wolf ist für uns Menschen ungefährlich auch für kleine. Was ist mit Heim- und Weidetieren? Die Wolfsfreunde konzedieren: Haushunde müssten nachts ins Haus, sonst würden sie aufgefressen. Weidetiere bräuchten selbstverständlich Schutz, Wolfsschutzzäune oder Hirten und Herdenschutzhunde. Träten trotzdem durch DNA-Analyse erhärtete Tierverluste auf, würde sie der Staat bezahlen. Schlecht für die Steuerzahler, gut für die Bauern? Die bleiben auf den Schutzkosten und indirekten Tierschäden sitzen. Das ist leider der entscheidende Punkt. Die Landwirte werden kalkulieren und ihre wertvollen Tiere lieber im Stall lassen. Ade schöne Freiheit. Kein Wunder, dass es vor allem Bauern sind, die sich über den Einmarsch der Wölfe empören.
Nebenbei, ganz so sicher sind Wolfszäune auch nicht. In den letzten Monaten gab es allein in Deutschland mehrere Versager, der schwerste Fall in der Oberlausitz (Sachsen): Eine mehr als normgerecht gesicherte Schafherde (150 trächtige Moorschnucken), fürs Rasenmähen in einer Naturschutzstation gehalten, wurde Opfer eines Wolfsrudels:. mehr als 40 Schafe tot, 80 versprengt.
Der Graupelz verzehre mehr Obst als Weidetiere, frohlocken seine Freunde plakativ. Die Hoffnung, er sei Halbvegetarier schwindet allerding, sieht man die realen Zahlen. Sein Speiseplan (laut Lausitzer Untersuchung): Wild (vorwiegend Reh) 96 %, Obst 1,9 %, Weidetiere 1,7 %. Könnte dieser minimale Prozentsatz darin begründet sein, dass Bauern in Wolfsgebieten ihre Tiere vorsichtshalber lieber ständig im Stall gefangen halten?
Schließlich argumentieren die Befürworter des Räubers. Rund Zweidrittel oder gar Dreiviertel der Österreicher sympatisieren mit dem Wolf oder begrüßen seine Rückkehr. Außer im oberen Waldviertel. Dort tönte dem Tierschutzlehrer eine erste Volksschulkasse einstimmg entgegen: Die Wölfe gehören getötet. Doch diese Kinder müssten indoktriniert worden sein. Nirgends sonst hätte es so einen Ausbruch gegeben. Ja diese Hinterwäldler. Oder könnte es vielleicht damit zusammenhängen, dass nirgends sonst in Österreich ständig Wölfe leben?
Es lässt sich natürlich die Meinung vertreten, Kinder haben im Wald nichts verloren und Schwammerlsucherinnen vielleicht auch nicht; und Liebespaare raus aus der Natur und nachhause ins Bett. Der Wald gehöre den Wölfen, Und den Jägern; die brauchen sich ja mit ihrem Gewehr nicht zu fürchten.
Es bleibt auch jedem unbenommen, Wölfe lieber zu haben als Rehe. Und es steht jedermann frei ein kleines Wolfsrudel wichtiger zu nehmen als den meist qualvollen Tod von 900 Rehen. (Das damals noch kleine Allentsteiger Rudel hatte 2017 rund 13500kg Wild getötet; das entspricht etwa 900 Rehen. Rehe sind an sich meist Hauptmahrung von Wölfen. In Allentsteig verspeisten sie allerdings vorerst alle Mufflons und dann hauptsächlich Hirsche).
Man darf sich auch empören, dass es die Behörde in Ausnahmefällen erlaubt, Wölfe zu vergrämen, und man darf dagegen schweigen, wenn die Obrigkeit die Bürger verpflichtet, Ratten und Mäuse, hoch intelligente Tiere, mehr oder minder qualvoll zu töten.
Und man kann den Wölfen zuliebe auch hinnehmen, dass Nutztire wieder eingepfercht in Massenställen ein trauriges Leben verbringen müssen.
Nur sollte man sich dann nicht „Anwalt aller Tiere“ nennen. Sondern ehrlich Wolfslobbyist.
Übrigens, in Deutschland hat ein (ehemaliger) Fürst in seinen Waldungen eine Wisentherde angesiedelt, etwa im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz. Wer regt sich auf? Bauern aus der Umgebung.
Erwin Lauppert