Als ich eines Tages wieder einmal auf der Waldstraße ging gen Krieglach hinab, holte mich der Jungfuhrmann Blasius ein mit seinem flinken Rößlein. Da er sah, wie sehr weich und behutsam ich voranschritt der steinigen Straße halber, deren scharfe Splitter mich in die Barfüße stachen, so hielt der Blasius seinen Wagen an und sagte, ich dürfe aufsitzen.
„‚Es sitzt ja schon wer im Wagen,“ sagte ich. „Der liegt“, antwortete er. Denn es war ein abgestochenes Kalb, das er zum Fleischhauer führte. Ein unterhaltsamer Fahrgast war das nicht, aber ich setzte mich zu ihm. Das Kalb schaute mich mit seinen feinen großen, pechschwarzen Augen an, als ich mich so zwischen seine vier ausgestreckten Beine hinschob. „Hat’s dich denn nit derbarmt, Blasius, weil du es abgestochen?“ „Gerad’ weil’s mich derbarmt hat, hab’ ich’s abgestochen“, sagte er. „Lebendigerweis’ auf dem Wagen zum Fleischhacker schleppen, oder gar mit einem Hund hetzen, und am End’ bleibt’s ihm doch nit erspart, nur daß es der Fleischhacker vielleicht viel dümmer macht. Da hab ich’s Messer lieber gleich selber hineingeschoben.“
Peter Rosegger, 1843-1918
der Dichter aus der steirischen Waldheimat
Ein einfacher analphabetischer Fuhrmann hat es schon vor eineinhalb Jahrhunderten kapiert; unsere hochgebildeten Politiker wollen es heute noch nicht begreifen: Tiertransporte sind meist grausam. Wenn ein Tier schon getötet werden muß, sollte es möglichst vor dem Transport geschehen…
Aus Anima 2006/3