Hunger
350 Millionen Menschen vor allem in Afrika drohen zu verhungern, weil der
böse Putin die für die Getreideausfuhr nötigen Schwarzmeerhäfen blockiert,
sagen Regierungen und Medien.
Es gäbe da ein einfaches Gegenmittel. Ein Viertel oder ein Drittel von
dem Getreide und Soja, das wir jetzt im Westen an Schweine und andere Masttiere
verfüttern den Menschen in Afrika geben. Weniger Fleisch, das kann man
Europäern und Amerikanern natürlich nicht zumuten.
Darum zurück zur Ukraine. In der Ukraine wird Europa verteidigt, westliche
Werte, Demokratie, Menschenrechte. Der Putin ist böse. Er hat den Nawalny
eingesperrt und in gar zu vergiften versucht, und etliche andere Opponenten.
Bei uns hockt dagegen nur der Julian Assange seit zehn Jahren im Gefängnis,
aber der hat auch amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt. Dann gibt es zwar
noch die Gefangenen in Guantanamo, doch das sind nicht mehr so viele. Schön, in
Saudi-Arabien, Freund des Westens, wurde als Russland in die Ukraine
einmarschierte, schnell 80 Regimegegnern der Kopf abgeschlagen. Aber
Saudi-Arabien ist ja nicht Europa. Und Istanbul, wo ein Mann ins Konsulat ging
und nicht mehr herauskam, außer allenfalls zerstückelt, gehört ja auch nicht
mehr richtig zu Europa.
Ja aber der Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der erste in Europa seit Ende
des Zweiten Weltkriegs. Grauslich und unmenschlich, zweifellos. Da war zwar
noch der Angriffskrieg der NATO gegen Restjugoslawien, der zur Vertreibung von
100.000 Serben aus dem Kosovo führte, ihrer seit einem Jahr 1000 angestammten
Heimat. Doch das ist etwas anderes. Die übrigen Angriffskriege vor allem der
USA im letzten Vierteljahrhundert, z.B.: Irak und so weiter waren ja nicht in
Europa. Lassen wir all diese Spitzfindigkeiten.
Es steht fest Europa kämpft in der Ukraine für seine Werte. Bis zum letzten
Mann, also genauer gesagt, kämpfen müssen die Ukraine. Europa und die USA
schicken die Waffen. Immer mehr. Damit die Leute dort kämpfen können,
nötigenfalls bis zum letzten Blutstropfen des letzten Ukrainers. Doch um
Himmels Willen kein westlicher Blutstropfen! Sollten da etwa Gespenster
aus längst vergangener Zeit auftauchen, Herrenrassen und unter Menschen, wäre
dies grundfalsch. Es geht ja darum einen Atomkrieg zu verhindern. Würden etwa
vom westlichen Militär bediente Luftabwehrbatterien in ukrainischen Städten
aufgestellt, etwa in Ternobil/Tarnopol, Poltava, Diepro, Odessa, um den Russen
klar zu zeigen, hier gehts nicht weiter; dann bestünde die große Gefahr, dass
Putin mit Atombomben um sich schmeißt. Würden die westlichen Geschütze von
Ukrainern bedient, bestünde diese Gefahr wohl nicht. Ich hoffe, ich habe das
richtig mitgekriegt.
Außerdem tut der Westen ohne dies genug für die Ukraine. Er sendet Waffen.
Wir nehmen wirtschaftliche Einbußen in Kauf, möglicherweise müssen wir im
Winter frieren, wir haben Inflation, unseren kleinen Rentnern schmelzen ihre
kleinen Sparguthaben weg etc.
Unlängst waren unsere Staatenlenkerrinnen und Staatenlenker bei diversen
Konferenzen zu sehen. Sie schauten alle ganz passabel aus, keiner der Köpfe war
verletzt, keine Gedärme quollen aus den Unterleibern, Arme und Beine waren
auch noch alle dran. Anders schaut es in der Ukraine aus.
Dass ich gerade Schädel und Unterleib anführen, ist eine rein private
Reminiszenz. Mein Vater war vor 79 Jahren gezwungen, Amius, ungefähr an
der Ostgrenze der Ukrainer die europäische Kultur, das Abendland gegen die
anstürmende Flut russisch-asiatischer Horden (wie die Propaganda das damals
sagte ) zu verteidigen. Allerdings nur zwei Wochen lang. Dann riss ihm eine
Granate die Schädeldecke auf, seinem Kameraden den Unterleib. Mein Vater trug
für den Rest des Lebens eine Narbe an der Stirn, der Kamerad starb.
Die westliche Strategie lautet also, Waffen für die Ukraine. Das
klingt hier auf dem Papier ganz gut, doch in der Praxis, in der Ukraine
bedeutet es Tod, Verstümmelung, Zerstörung. Immer mehr Waffen, natürlich auf
beiden Seiten, immer mehr bis nichts mehr von der Ukraine übrig bleibt.
Noch zurück nach Odessa. Der Hafen dort wird also angeblich von der
russischen Marine blockiert und ist vermint. Die russische Flotte hat sich laut
Medien aus Sicherheitsgründen hundert Kilometer zurückgezogen. Die Russen haben
nach ihrer Angabe den Hafen von Mariopol in kürzester Zeit entmint. Odessa ist
zwar ein eher sensibler Ort. Er gehört zu dem Teil der Ukraine, den man im 19.
Jahrhundert Neurussland nannte. Im Mai 2014, als schon die eher demokratie- und
gesetzesfern zur Macht gekommene prowestliche Regierung herrschte, gab es in
der Stadt ein kleines Massaker. 40 oder 50 friedliche russlandfreundliche
Demonstrantinnen und Demonstranten wurden bei lebendigem Leib verbrannt.
Dennoch, gesetzt den Fall, westliche Minenräumboote würden Odessa entminen und
Getreidefrachter den Küsten entlang ins Mittelmeer fahren, würde dann die russische
Flotte wirklich auf sie schießen?
Man wird uns vielleicht sagen, ihr bornierten, naiven Tierschützer lasst die
Weltpolitik, kümmert euch um eure Viecher. Genau das tun wir. Die Ärmsten im
Krieg sind die Viecher. Um Menschen kümmert man sich allenfalls, um Tiere
nicht. Die EU hat in der Ukraine viel moderne Tierfabriken subventioniert. Da
ist zum Beispiel ein Massenstall mit 1000 Kühen. Der Strom fällt aus, das
Personal ist davon gelaufen oder rekrutiert. Die Kühe können nicht gemolken
werden, sie schreien vor Schmerz mit ihren vollen Eutern, dann verdursten sie.
Ein Schweinestall mit 10.000 oder 20.000 Tieren, die Lüftung fällt aus, die
Tiere sterben qualvoll in wenigen Stunden. Niemand hat sich je um einen alten
Menschen gekümmert außer sein Hund, seine Katze. Er teilt sein Essen mit seinem
Kameraden. Jetzt wo Menschen hungern, Nahrung an ein Tier verfüttern, das geht
gar nicht. Die Volkswut wendet sich gegen ihn.
Immer mehr Waffen? Wir brauchen Frieden, keine Waffen.
Erwin Lauppert 29.6.2022.